31.03.2014
Keine starre Haftungsobergrenze zugunsten des Arbeitnehmers bei grob fahrlässig verursachten Schäden
Mit Urteil vom 15.11.2012 entschied das Bundesarbeitsgericht zum Az.: 8 AZR 705/11, dass eine starre Haftungsobergrenze von 3 Bruttomonatsgehältern bei einer grob fahrlässigen Schadensverursachung des Arbeitnehmers nicht angenommen werden kann, soweit nicht besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen.
Gegenstand des Verfahrens bildete ein Schadenersatzbegehren des Arbeitgebers gegen einen seiner Arbeitnehmer wegen Beschädigung eines Firmenfahrzeuges. Der beklagte Arbeitnehmer kam mit seinem Lastkraftwagen trotz trockener Witterung und gerader Straße von der Fahrbahn ab, bei ihm wurde eine BAK von 0,94 Promille festgestellt. Gegenüber dem Beklagten wurde ein Gesamtschaden in Höhe von 17.522,25 € geltend gemacht. Streitig war, ob der Beklagte zum Schadenersatz wegen grob fahrlässiger Pflichtverletzung verpflichtet ist und ob zu seinen Gunsten eine Haftungsobergrenze greifen kann.
Das Arbeitsgericht gab der Klage in Höhe von 7.010,56 €, das Landesarbeitsgericht in Höhe von 8.179,50 € statt. Das Landesarbeitsgericht ging bei seiner Entscheidung von einer grob fahrlässigen Verursachung des Unfalls aufgrund des Alkoholgenusses aus. Bei der Berechnung des Ersatzanspruchs ging das Landesarbeitsgericht jedoch davon aus, dass bei grober Fahrlässigkeit immer eine Haftungsobergrenze zugunsten des Arbeitnehmers von 3 Bruttomonatsgehältern angenommen werden muss, wenn zwischen Verdienst und Schadensrisiko ein deutliches Missverhältnis liegt.
Gegen diese Beurteilung richtete sich die Revision des klagenden Arbeitgebers mit Erfolg. Dem Arbeitgeber steht dem Grunde nach ein voller Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens zu. Das Landesarbeitsgericht ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts in rechtsfehlerhafter Art und Weise davon ausgegangen, dass bei grober Fahrlässigkeit und einem deutlichen Missverhältnis zwischen Arbeitsentgelt und Schadensrisiko stets eine starre Haftungsobergrenze von 3 Bruttomonatsverdiensten anzunehmen ist. Nach den vom großen Senat entwickelten Grundsätzen zur Arbeitnehmerhaftung hat der Arbeitnehmer vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er hingegen nicht, bei normaler Fahrlässigkeit wird der Schaden idR zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber verteilt, bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer idR den gesamten Schaden zu tragen. Für den Umfang der Eintrittspflicht spielen insbesondere folgende Erwägungen eine Rolle: Schadensanlass, Schadensfolgen, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte, Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit, Schadenshöhe, vom Arbeitgeber einkalkuliertes Risiko, Risikodeckung durch Versicherung, Dauer der Betriebszugehörigkeit, persönliche Verhältnisse des Arbeitnehmers.
Daher können grundsätzlich auch bei einer groben Fahrlässigkeit Haftungserleichterungen im Einzelfall in Betracht kommen. Für die Bejahung solcher Erleichterungen ist es aber erforderlich, dass der Tatrichter eine Abwägung aller hierfür maßgeblichen Umstände vornimmt. Von diesem Erfordernis ist das Landesarbeitsgericht in rechtsfehlerhafter Weise abgewichen, indem es eine Haftung auf höchstens 3 Bruttomonatsgehälter immer annimmt, wenn zwischen Verdienst und Schadensrisiko ein deutliches Missverhältnis besteht. Eine solche Haftungsobergrenze gibt es laut dem erkennenden Senat des BAG nicht, da die Bestimmung einer solchen dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben muss. Selbstverständlich kann ein Instanzgericht die Haftung des Arbeitnehmers auf 3 Bruttomonatsgehälter begrenzen, dies darf aber nur nach einer umfassenden Abwägung erfolgen und nicht dazu führen, dass eine starr geltende Höchstgrenze losgelöst vom Einzelfall bejaht wird. Darüber hinaus schließt nach dem BAG der Rechtsgedanke des § 254 BGB, aus welchem die Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung resultieren, die Annahme einer festen summenmäßigen Haftungsbeschränkung aus.
Weitere Auskünfte zur Problematik erteilt sehr gern Herr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Kretschmer, welcher die Terminsvertretung am 15.11.2012 beim Bundesarbeitsgericht in Untervollmacht wahrgenommen hat.