31.03.2014

„Entsperren“ von Sim-Lock-Handys strafbar als Datenveränderung

Wie das Amtsgericht Göttingen im Urteil vom 04.05.2011 zum
Aktenzeichen 62 Ds 51 Js 9946/10 entschied, stellt die unbefugte Aufhebung eines sogenannten Sim-Lock zur Begrenzung der Nutzungsmöglichkeiten eines Handys durch Mobilfunkprovider eine strafbare Handlung dar.

Der Angeklagte unterhielt ein Internetangebot in dem er die „Entsperrung" von Handys anbot, die innerhalb der 2-jährigen Vertragslaufzeit außerhalb des Netzes durch die jeweiligen Mobilfunkbetreiber nicht genutzt werden konnten. Die Eigennehmer der zu entsperrenden Handys beabsichtigten jedoch, sie außerhalb des ursprünglichen Vertrages zu nutzen. Sie überwiesen den für das Entsperren zu entrichtenden Betrag an den Angeklagten und sandten ihm die zu entsperrenden Handys zu.

Der Angeklagte verwendete anschließend sogenannte „Entsperrboxen" der jeweiligen Hersteller und erwarb auf einer Website den jeweils erforderlichen Entsperrcode, den sogenannten Unlock-Code. Bei der verwendeten Website handelt es sich nicht um eine Seite die die offiziellen Entsperrcodes der Mobilfunkbetreiber vermarktet, sondern um eine solche, die Entsperrcodes von Hackern aus dem Ausland erhielt.

Nach Rücksendung der Handys konnten die Eigentümer diese so benutzen, als habe sich darauf kein Sim-Lock befunden, da der Betriebssoftware vorgespielt wurde, dass keine Sim-Lock-Sperre installiert oder diese zumindest wirksam von Netzbetreibern deaktiviert worden sei.

Nach Ansicht des Amtsgerichtes Göttingen hat sich der Angeklagte mit dieser Handlung wegen Fälschung beweiserheblicher Daten in Tateinheit mit Datenveränderung gemäß
§§ 267 Abs. 3 S. 2 Nr. 1, 269 Abs. 1, 3, 270, 303 a Abs. 1, 3, 303 c, 52, 53 StGB schuldig gemacht.

Er hat mit dem Entsperren des Sim-Locks rechtswidrig Daten im Sinne des § 202 a Abs. 2 StGB verändert. Der Sim-Lock stellt eine vom Netzbetreiber implementierte Sperre gegen die Nutzung des subventioniert vertriebenen Handys dar, an dessen Änderung sich der Netzbetreiber die Rechte ausdrücklich vorbehalten hat. Mit der Abschaltung des Sim-Locks wurde mithin in ein fremdes Nutzungsrecht eingegriffen.

Dem stehe auch nicht entgegen, dass der jeweilige Endkunde die Hardware erworben hat, in die die modifizierte Software implementiert worden sei.

Der Angeklagte habe, indem er die von ihm auch zu diesem Zweck beschaffte Soft- und Hardware zur Abschaltung des Sim-Locks verwendet hat, eine im Sinne des § 69 c UrhG zustimmungspflichtige Handlungen vorgenommen, für die eine Zustimmung des Rechteinhabers weder allgemein noch in den konkreten Fällen vorlag. Darüber hinaus habe das Entfernen des Sim-Locks auch den Tatbestand des Fälschens beweiserheblicher Datennbsp erfüllt, da der Speicherbereich des Mobiltelefons auch beweiserhebliche Daten im Sinne des § 269 Abs. 1 StGB enthalte und nicht lediglich ein Datenverarbeitungsprogramm darstelle.

Der Angeklagte hatte sich dahingehend eingelassen, dass er sich bei seinem Handeln noch in einer „Grauzone" eines rechtlich noch nicht ausreichend bewerteten Gebiet bewegt habe. Hiergegen stellte das Amtsgericht in seiner Entscheidung klar, dass der bisherige Mangel an einschlägiger obergerichtlicher oder höchstrichterlicher Rechtsprechung für die Strafbarkeit der Handlung des Angeklagten ohne Belang sei. Dieser Mangel könnte nur Bedeutung erlangen, wenn sich der Angeklagte nachweisbar qualifiziert und rechtlich hätte beraten lassen, was dieser jedoch nicht belegen konnte. Das Amtsgericht Göttingen hat daher ohne bisher gefestigte Rechtsprechung eine gründliche Bewertung dieses neuen Geschäftsmodels des „Entsperrens von Sim-Lock-Handys" vorgenommen und ist in nachvollziehbarer Weise zu einer Strafbarkeit des Verhaltens des Angeklagten gelangt.

Dabei hat es sich auch auf die Entscheidung des Amtsgerichtes Nürtingen vom 29.09.2010 zum dortigen Aktenzeichen 13 Ls 171 Js 13423/08 bezogen, nachdem auch die Beseitigung einer Sim-Lock Sperre mit einem „Flasher" eine strafbare Handlung darstellt.

Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung an dieser sehr speziellen technischen Frage, insbesondere im Hintergrund der sehr weit verbreiteten Verwendung eines „Sim-Lock" bei Mobilfunkbetreibern, bleibt abzuwarten.nbsp